Wintersport

Causa-Pechstein: Ein juristischer Erfolg für die Sportlerin

Nach einem Rückschlag durch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahre 2016 errang die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein nun einen wichtigen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG).
Ihre Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des BGH aus dem Jahr 2016 auf. Der BGH hatte damals fälschlicherweise das Internationale Sportgericht (CAS) als „Schiedsgericht“ im Sinne der Zivilprozessordnung eingeordnet. Ebenso hätte der BGH die Schiedsvereinbarung zwischen den Verbänden und Pechstein nicht als rechtmäßig anerkennen dürfen. 

Das BVerfG hat den Fall an das OLG München zurückverwiesen.
Dieses muss über den Schadensersatz entscheiden.
Pechstein verlangt von der Internationale Eislauf-Union (ISU) und der Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) einen Schadensersatz und Schmerzensgeld in Millionen Höhe.

Den Ursprung hat der Fall im Jahre 2009. Damals hatte Claudia Pechstein an einem Wettkampf teilgenommen und Anti-Doping-Richtlinien und eine Schiedsvereinbarung unterzeichnet. 
Unstimmigkeiten wegen zu hoher Blutwerte brachten der Eisschnellläuferin damals eine zweijährige Dopingsperre ein.
Gegen diese Sperre wandte sich Pechstein erfolglos an das CAS.
Auch vor den Schweizerischen Gerichten hatte sie daraufhin keinen Erfolg.
Erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) konnte sie einen Teilerfolg erringen.
Dieser urteilte, dass vor dem CAS eine mündliche Verhandlung hätte stattfinden müssen. Der EGMR sprach Pechstein jedoch nur einen Schadensersatz in Höhe von 8.000 EUR zu. Mit ihrem Hauptantrag hatte sie in ihrer Individualbeschwerde jedoch keinen Erfolg. Der EGMR sah das CAS als unabhängiges und unparteiisches Schiedsgericht an.

Parallel dazu wandte sich Pechstein an die deutschen Gerichte.
Sie begann vor dem Landgericht München I einen Prozess gegen den deutschen und den internationalen Eislaufverband auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Dopingsperre sowie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Vor dem LG hatte sie mit der Klage keinen Erfolg.
Jedoch – vor dem OLG München in der Berufungsinstanz bakam Claudia Pechstein Recht. Das OLG sah die Schiedsvereinbarung als nichtig an. Daraufhin legten die Eislaufverbände Revision ein – mit Erfolg. Der BGH sah das CAS sowohl als „Schiedsgericht“ im Sinne der Zivilprozessordnung an, als auch die Vereinbarung zwischen Sportlerin und Verband sei rechtswirksam. 

Gegen dieses BGH-Urteil wandte sich Pechstein mit einer Verfassungsbeschwerde. Sie berief sich auf eine Verletzung des Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Das BVerfG sah die Verfassungsbeschwerde als zulässig und begründet an.
Zwar sei es grundsätzlich im Sport möglich, Schiedsgerichte durch eine Vereinbarung zu berufen und somit auf rechtliches Gehör vor staatlichen Gerichten zu verzichten.
Jedoch müsse diesen Vereinbarungen zum Schutz der Sportler Grenzen gesetzt werden. Besonders bei einer Überlegenheit der Verbandsseite müsse der Staat effektiven Rechtsschutz unter rechtsstaatlichen Mindeststandards für die Sportler gewährleisten, erläuterte das BVerfG.
Der BGH habe in der Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch und Vertragsfreiheit / Verbandsautonomie nicht beachtet, dass eine mündliche Verhandlung eine wesentliche Säule des Öffentlichkeitsgrundsatzes und somit des Rechtsstaatsprinzip darstelle. Da diese vor dem CAS nicht stattfand, kann das CAS kein „Schiedsgericht“ im Sinne der ZPO sein.
Ferner griff Pechstein mit der Verfassungsbeschwerde die Schiedsvereinbarung als solche mit dem Argument an, dass das Auswahlverfahren der Schiedsrichter beim CAS nicht nach rechtsstaatlichen Standards geschehe, da die Sportverbände selbst die Richter auswählen.
Das BVerfG macht in seinem Urteil deutlich, dass auch dieses Verfahren gegen den Justizgewährungsanspruch verstoße, da durch die Auswahl der Richter durch die Sportverbände die Neutralität der Richter zumindest stark gefährdet sei.

Nun hat erneut das OLG München, über den Schadensersatz und das Schmerzensgeld zu entscheiden.
Spannend bleibt auch, ob dieses Verfahren Auswirkung auf andere Verfahren haben wird und ob der CAS seine Statuten bzgl. des Auswahlverfahrens der Richter anpassen wird. 
Nach dem EGMR Urteil bzgl. der mündlichen Verhandlung hatte er dies bereits getan.

Severin Lask / Steffen Lask

Deutscher Skiverband erhebt Klage beim CAS

Der deutsche Skiverband (DSV) hat als einer der größten Skiverbände der Welt, ähnlich groß wie Österreich, Schweiz und Kroatien, Klage gegen die Wiederwahl von Johan Eliasch als Präsident des FIS beim CAS erhoben.

Der schwedisch-britische Milliardär, der seit 2021 den Vorsitz des Internationalen Skiverbandes inne hat, wurde im Mai diesen Jahres mit 100 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Das Problem in den Augen der großen Skiverbände: Es konnten nur Ja-Stimmen für Eliasch abgegeben werden.
Zwar konnten sich die Stimmberechtigten enthalten, sie konnten jedoch nicht ausdrücklich – ablehnend – gegen Eliasch stimmen. 

Die 100 prozentig Zustimmung stellt sich also in Wirklichkeit anders dar. Von 126 stimmberechtigten Delegierten hatten nur 70 für Eliasch gestimmt, der Rest enthielt sich. 

Die deutsche Delegation hatte aus Protest vor der Wahl die Abstimmung verlassen.
Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Skiverbandes, hatte der ARD unmittelbar nach der Wahl gesagt, dass sich eine solche Wahl nicht mit dem Rechtsverständnis des DSV decke und die Wahl des Präsidenten eine Farce sei.

Eliasch ist aufgrund seiner Reformvorschläge nicht unumstritten. Er plant unter anderem Weltcup-Rennen in Dubai und eine zentrale Vermarktung der TV-Rechte an diesen Rennen über die FIS.
Derweilen liegen die Vermarktungsrechte bei den nationalen Sportverbänden und bei den jeweiligen Weltcup-Austragungsorten, die sich durch die Verkäufe dieser Rechte größtenteils finanzieren.

Eine zügige Entscheidung des CAS kann in einem solch wichtigen Anliegen durchaus erwartet werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Wahl wiederholt werden muss.

Severin Lask / Steffen Lask

Stefan Luitz Skirennläufer – Disqualifikation rechtlich haltbar?

Luitz und seine Berater – offenbar ebenso wie der DSV – tendieren dazu, diese Frage mit „Nein“ zu beantworten.

1.

Luitz hatte seinen ersten Weltcupsieg im Riesenslalom am 2.12.2018 in Beaver errungen. Zwischen den beiden Durchgängen hatte er Sauerstoff inhaliert. Das ist regelwidrig. Der Weltverband FIS verbietet die Nutzung von Sauerstoff direkt an der Rennstrecke während des Wettkampfs. Das ergibt sich aus den Anti-Doping-Regeln der FIS (Artikel 2.12). Das ist (soweit) wohl unstreitig. Luitz ist angehört worden. Die Anti-Doping-Kommission der FIS hat ihn disqualifiziert. Luitz wurde aus den Ergebnislisten gestrichen.

Und jetzt lesen wir zur Verteidigung von Stefan Luitz Folgendes: „Wir stehen hinter Stefan.“ Das betont der DSV-Sprecher Ralph Eder. Das freut grundsätzlich den Atlethen. Es wird vom DSV auch betont, dass dem DSV und damit offenbar dem Sportler Luitz nicht bewusst gewesen sei, dass die Sauerstoffzufuhr über Inhaltionsvorrichtungen während des Rennens gegen die Anti-Dopingbestimmungen der FIS verstieße. In den Medien liest man, dass der DSV während des Weltcuprennens von „medizinischen Experten falsch beraten“ worden sei.

Weiter ist von seiner Anwältin, der Kollegin Prof. Dr. Anne-Jakob zu vernehmen, dass die Einnahme des Sauerstoffs „ohne eigenes Verschulden“ erfolgt sei und Luitz sich durch den Sauerstoff keinen Leistungsvorteil verschafft habe.

2.

Man denke sich diese Argumentation in per se dopingverdächtige Sportarten wie Radsport/Leichtathletik/Biathlon.

Der Rad-Sportler dort hat keine Vorstellung von den Anti-Doping-Regeln seiner internationalen Verbände. Wie wäre wohl die Reaktion der Medien? Der „Tagesspiegel“ schreibt am 10.01.2019 in der Causa Luitz von einem „Lapsus„.

Insgesamt erscheint die Argumentation sehr merkwürdig. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, ob der Athlet eine Anti-Doping-Bestimmung – ob national oder international – kennt oder nicht. Das ist unerheblich. Allein der Verstoß ist entscheidend. Es liegt grundsätzlich beim Athleten, sich zu informieren. Unerheblich ist darüber hinaus, ob medizinische Berater „gutgläubig“ waren und „falsch beraten“ haben. Informiert sich der Athlet bei dem betreuenden Arzt, ob bei einer medizinischen Indiziertheit das verschriebene Medikament auf der „Doping-Liste“ steht und erhält eine unzutreffende Antwort, dann ist das im Grunde für das Vorliegen eines Doping-Vergehens des Athleten unerheblich. Medizinisch indiziert war der Sauerstoff hier nicht, jedenfalls war davon bislang nicht die Rede.

Der im Sport geltende Grundsatz „strict liability“, das Prinzip der verschuldnesunabhängigen Haftung gilt und findet Beachtung.

Im Übrigen: Wenn es dem Athleten keinen Vorteil bietet, weshalb wird es angewandt? Dass die Regeln der FIS nicht im Einklang mit denen der WADA stehen, mag man bedauern. Das ändert aber nichts an dem Sachverhalt.

Bleibt abzuwarten, ob der CAS noch angerufen wird, oder nicht.

Steffen Lask

CAS – Urteil und was Herr Dr. Bach dazu sagt!

Merkürdig: Wenn man also vor Gericht mit der eigenen Rechtsauffasung scheitert und im Prozess unterliegt, dann ist das Gericht in seiner Struktur dafür verantwortlich. Es müssen Reformen des Gerichts – hier des CAS – her, so Dr. Thomas Bach, promovierter Jurist und Präsident des IOC, und zwar „dringend„!

Naja, wenn das dringend ist, wird damit sicher sofort begonnen, möchte man Herrn Dr. Bach zurufen. Immerhin ist der Präsident des CAS, der Australier Coates bis vor wenigen Jahren noch Vizepräsident des IOC gewesen.

Die Kritik des Präsidenten, Dr. Bach, der sich – nach Medienberichten – Sorgen bezüglich der Qualität des Richterspruchs macht, ist deshalb mekrwürdig und gekennzeichnet von einem fragwürdigen Rechtsverständnis, weil die Entscheidung des IOC von vornherein rechtswidrig war. Bach muss sich fragen lassen, ob das Vorgehen des von ihm geführten Verbandes, nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern auch taktisch verfehlt war.

Konsequent immerhin, die Nichteinladung durch das IOC der nunmehr vom lebenslangen Verbot freigesprochenen Sportler. Aber, ob das Bestand haben wird? Wohl kaum. Das Startrecht erstreiten, das ist numehr der nächste rechtliche Schritt, den die Aktiven gehen müssen. Die Zeit wird knapp.

Steffen Lask

CAS – Urteil- lebenslange Sperren aufgehoben

Die von einigen Athleten – Klägern – ersehnte Entscheidung des CAS ist da: Die lebenslangen Sperren, die das IOC in beispielloser Manier verhängte hatte, wurden aufgehoben – teilweise mit sofortiger Wirkung für 28 Sportler, darunter Olympiasieger wie z.B. Alexander Legkow (Ski-Langlauf) und Dimitri Trunenkow (Bob); für andere russische Athleten ist die Sperre – lebenslang – ebenfalls rechtwidrig, sie bleiben aber für die kommenden Winterspiele gesperrt und ihre bisherigen Ergebnisse gelten weiter als annulliert.

Offen gestanden: Jeder, der bei juristischem Verstand ist, musste mit einer derartigen Entscheidung rechnen, wenn nicht gar diese erwarten. Lediglich die Empörten, die sog. Doping-Experten, die teilweise in populistischem Eifer über nahezu sämtliche Medien alle Athleten, die aus Russland kommen, in Sippenhaft genommen haben, die mögen nunmehr enttäuscht sein.

Das IOC hatte 43 russische Sportler wegen des organisierten Staatsdopings lebenslang gesperrt. 42 von ihnen hatten Klage dagegen bei Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne erhoben. Die Sperre wurde gestützt – im Wesentlichen – auf die Aussagen eines Mannes: Grigori Rodschenkow, Generalzeuge, der aus Russland nach Amerika geflohen und früher nach eigenen Angaben in das Doping-System Russlands eingebunden war und dieses maßgeblich als Leiter des Moskauer Anti-Dopiung-Labors gestützt hatte. Seine Aussagen bilden letztlich die Grundlage für den viel zitierten McLaren Bericht, der zurecht das System in Russland angeprangt, aber der eben nicht Individualvergehen der einzelnen Sportler herausgearbeiten konnte, so dass darauf rechtssicher eine Sperrfrist verhängt hätte werden können.

Selbstherrlich hat das IOC entschieden, fernab jeder juristischen – man mag sagen – fern jeder sportjuristischen Vernunft – die mitunter mit der „normalen“ Jura ohnehin kollidiert – und hat nun die Quittung vom „eigenen“ Gericht bekommen. Man ist gar versucht, zu fragen, ob das gar Teil eines Deals war. Aber das ist zugegeben nur Spekulation.

Fakt ist, dass damit noch nicht – notwendigerweise – der Weg nach Korea für die 28 Sportler führt. Aber es sieht für sie nicht schlecht aus.

Mal sehen.

 

Steffen Lask